Irgenwann oder vielleicht besser, was mich Teresa, Etty und Edith lehrten

Liebe Eva,

 

es ist einige Zeit vergangen seitdem ich dir das letzte Mal geschrieben habe. Wie so oft ist mir das Leben und meine lausige Disziplin dazwischen gekommen.

 

Ich will dir heute erzählen von Teresa, Etty und Edith. Also vielleicht besser bekannt unter Teresa von Avila, Etty Hillesum und Edith Eva Eger. Diese drei Frauen begleiten mich gerade in Wortform und sie lassen mich nicht los - im positiven Sinne.

So unterschiedlich diese drei Persönlichkeiten auch sind, die Eine lebte im Mittelalter als aufmüpfige Nonne, die Zweite überlebte Auschwitz und die Dritte durchläuft einen tiefen inneren Befreiungsprozess und stirbt schließlich als junge Frau im Konzentrationslager - so viel haben sie gemeinsam. Es ist als würden sie sich zu dritt zu einem an den Esstisch setzen und bei einer Tasse Tee davon erzählen, was sie über die Jahre so unglaublich stark, friedvoll und gelassen gemacht hat. Ja, alle drei brauchen Jahre bis sie bei ihrem inneren Frieden angekommen sind, sie berichten mir mit einer schonungslosen Ehrlichkeit, die einem manchmal fast aufstößt, wie rastlos, unruhig und haltlos sie einst waren. Hin- und hergeworfen zwischen dem, was ihnen das Leben zumutete und das war nicht wenig und ihren Fragen, Gedanken, Emotionen. Sie finden Worte für innere Prozesse, die sich kaum wörtlich beschreiben lassen. Sie reflektieren Innen und Außen, sind sich nicht zu stolz einen weisen Begleiter zu suchen, gehen diszipliniert in die Stille, finden Gott und sich, tiefe Verbundenheit mit Menschen.

 

Hier nur ein paar wenige Zitate, um das anzudeuten...

 

Eva Edith Eger schreibt: "We can choose, what the horror teaches us. To become bitter in our grief and fear. Hostile, paralyzed. Or to hold on to the childlike part of us, the lively and curious part, the part that is innocent."

" Surviors don't aks, why me? The only relvant question ist, what now?"

 

Teresa von Avila:

"Hätte ich früher erkannt, was ich jetzt weiß, dass der winzige Palast meiner Seele einen so großen König beherbergt, dann hätte ich ihn nicht so häufig darin allein gelassen."

 

Etty Hillesum in ihrem Tagebuch, 1942:

"Das Leben ist schwer, aber das ist nicht schlimm. Man muss beginnen, sich selbst ernst zu nehmen und dass übrige kommt von selbst. Und das Arbeiten an sich selbst, ist weiß Gott kein kränklicher Individualismus. Der Frieden kann nur dann zum echten Frieden werden, irgendwann später, wenn jedes Individuum den Frieden in sich selbst findet."

"Ich bin nicht die einzige, die müde oder krank oder traurig oder ängstlich ist, sondern ich teile das Los von Millionen von anderer Menschen aus vielen Jahrhunderten. All das ist ein Teil des Lebens, und trotzdem ist das Leben schön und sinnvoll und noch in seiner Sinnlosigkeit, wenn man nur allen Dingen einen Platz im Leben einräumt und das ganze Leben als Einheit in sich aufnimmt, so dass es dennoch zu einem geschlossenem Ganzen wird. Und sobald man Teile davon ausschließt und ablehnt, sobald man eigenmächtig und willkürlich dies eine vom Leben abnimmt, jenes andere aber nicht, ja, dann wird es in der Tat sinnlos, weil es nun kein Ganzes mehr ist und alles willkürlich wird."

 

Es beeindruckt mich zutiefst, welche innere Haltung sich diese drei Frauen über die Jahre erarbeitet, zu Eigen gemacht haben. Eine Haltung, die dem lauten Inneren und dem wirren Äußeren trotzt. Und weißt du, das macht mich für solche wie uns, Suchende, hoffnungsvoll, hoffnungsfroh:

 

Irgendwann werden auch wir Seinen Frieden in uns gefunden haben und es wird zu unserem Frieden werden.

Wir werden zu Hause sein, im innersten der Herzenswohnung.

Das Leben wird auch weiterhin unsere Haltung auf die Probe stellen, aber wir werden wissen, dass wir daran wachsen und nicht mehr nach dem Warum fragen.

 

Irgendwann werden wir verstehen, dass wir "unerforschlich einbegriffen sind in die strömende Allgegenseitigkeit" und gerne all das Glück der Welt mit "Familie Mensch" teilen. Ohne Angst zu haben, zu kurz zu kommen.

 

Irgendwann werden wir spüren, dass wir ganz sind. Ganz Mensch. Ganz Ebenbild. Wir werden sehen, dass kein Teil fehlt, weil jeder Schmerz und jede Schönheit integriert sein wird.

Irgendwann werden wir eine tiefe Gewissheit in uns tragen, die darum weiß, dass alles verwandelt wird, bis am Ende das Leben gesiegt hat.

 

Wann das sein wird, liebe Eva, ich weiß es nicht. Vielleicht wenn wir alt und runzlig sind, uns mit Lachfalten und weiteren Falten auf dem Gesicht wieder begegnen. Ich will mir nicht anmaßen zu denken, mein Leben wäre vergleichbar mit dem, dieser Frauen, dennoch halte ich die Hoffnungsfahne hoch, dass das irgendwann kommen wird.

 

Grüße nach Ruanda!

Johanna

 

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Kommentare: 1
  • #1

    Dorothea (Dienstag, 25 Oktober 2022 09:19)

    Was für ein abgeklärter Text. Ich beneide dich um deine Zuversicht.