slow life - einmal wird uns gewiß die Rechnung präsentiert

Ich wurde schon oft auf Toiletten inspiriert. Ein paar Zeilen in der Kneipentoilette, ein interessante Frage mit Edding auf der Wand des Uni-WCs. Und neulich auf der Toilette einer sehr guten Freundin dann ein Gedicht. Ich musste schmunzeln als ich diese Lyrik las. Der Text hat mich berührt, weil er so wahr ist. Er hat mich zum Nachdenken gebracht.


Der katholische Lyriker, Lothar Zenetti schreibt:

Einmal wird uns gewiß die Rechnung präsentiert

für den Sonnenschein
und das Rauschen der Blätter,
die sanften Maiglöckchen
und die dunklen Tannen,
für den Schnee und den Wind,
den Vogelflug und das Gras
und die Schmetterlinge,
für die Luft, die wir
geatmet haben, und den
Blick auf die Sterne
und für all die Tage,
die Abende und die Nächte.

Einmal wird es Zeit,
dass wir aufbrechen und
bezahlen;
bitte die Rechnung.

Doch wir haben sie
ohne den Wirt gemacht:
Ich habe euch eingeladen,
sagt der und lacht,
soweit die Erde reicht:
Es war mir ein Vergnügen!

 

.............................................................

 

Wofür bist du heute dankbar?


In Zeiten von Corona wird das Leben unweigerlich langsamer.

Verlangsamt. Ein bisschen slower.

Vielleicht haben wir jetzt wieder mehr Zeit hinzusehen und dankbar zu sein für all das, was wir haben: Ein Dach über dem Kopf. Eine Heizung. Draußen Amselgezwitscher. Frühlingssonne. Krankenversicherungen für alle. Nette Nachbarn. Schöne Musik. Ein intaktes Gesundheitssystem.


Ich will mir neu bewusst machen, dass ich auf all das Schöne und Gute in meinem Leben kein Recht habe.

Das dies alles ein Geschenk ist.

Ich wurde eingeladen vom Wirt.

Eingeladen zu so vielem.

Vielleicht hilft uns diese Perspektive immer wieder auch loszulassen.

Unsere vermeintlichen Rechte und Privilegien.

Nicht so krampfhaft an allem festzuhalten, sondern mal sagen: "Danke für das, was ich hatte! Ich halte es nicht fest, es hat mir so oder so noch nie gehört. Es war schon immer ein Geschenk eines anderen an mich."


Wie schön zu wissen, dass der Wirt unendlich großzügig ist und dass es ihm ein Vergnügen ist uns gerade mit der Frühlingssonne zu beschenken.

 

 

 

 

copyright foto: www.welt.de
Lothar Zenetti, Am Ende die Rechnung aus: Sieben Farben hat das Licht.

Kommentar schreiben

Kommentare: 0