slow life - Radio

Bild von fancycrave1 auf Pixabay 
Bild von fancycrave1 auf Pixabay 

 

„Mama, kannst du bitte zurückspulen?“ fragt mein Sohn auf dem Heimweg aus dem Stuttgarter Osten, vom Kinderturnen.
„Oh, sage ich, das geht nicht, das ist Radio.“
Radio (wie erkläre ich das jetzt so schnell und korrekt, während des Autofahrens? Während die Kleine hinten mit Brezelstück bei Laune gehalten wird und mein Sohn fragt und fragt....)
„Das geht nicht, weil Radio ist nur direkt jetzt.“
Höre ich mich sagen. (Welch weiser Satz. Ihm hat es genügt).
Das kann man nicht zurückspulen, wie ein Hörspiel.

Radio ist nur genau jetzt. Direkt jetzt.

Um da was mitzukriegen, von den Nachrichten, Verkehrsfunk oder dem Song, muss ich jetzt in diesem Moment die Ohren spitzen und zuhören.
Betonung auf den Moment, der jetzt ist und dann nicht mehr.


>Glück ist jetzt< hängt als Bild an einem meiner Regale im Flur, an dem ich zig mal am Tag vorbeieile. Immer unterwegs, um ein Spielzeug von B nach A zurückzuräumen, eine Tasse Tee ins Wohnzimmer zubringen oder auf dem Weg ins Bad, um dort ein Kind zu unterstützen.

 

Vielleicht ist das Radio ein schönes Bild für den slow living-Lifestyle.

 

Wie beim Radio hören: Wenn du etwas von deinem Leben mitkriegen willst,
kannst du nicht streamen und später angucken, früher oder später leben,

... wenn du was mitkriegen willst, musst du schlicht und einfach direkt jetzt anwesend sein. Jetzt da. Jetzt wachsam. Jetzt aufmerksam. Jetzt achtsam.

Spotify und andere streaming Dienste können dir zwar deine Top Tracks List of 2019, des letzten Monats und die, deiner vergangenen Stimmungshochs und Launentiefs zusammenstellen, du kannst dank eines Songs an einen wunderschönen Moment des Friedens oder an einen Tag mit deinem besten Freund erinnert werden - aber im Moment anwesend sein kannst nur du und nur du, jetzt.
Und wenn du dein Handy ziehst, guckst, was sich sonst so im Freundeskreis läuft, in deinen Gruppen oder der Welt passiert, bist du mental einfach nicht mehr da. Kurzzeitig abwesend. Verkehrsfunk verpasst. Und rum. Im Radio kommt er erst nach 28 Minuten wieder. Ich vermute, dass viele kleine Momente unseres Lebens von uns unbemerkt verpasst werden, obwohl sie so viel alltägliche Heiligkeit enthalten. Vielleicht kommen sie nochmal, und vielleicht auch nicht. Es geht mir nicht um eine FOMO-Panikmache (Fear Of Missing Out).

Wie wär's damit, achtsam und unaufgeregt im Hier und Jetzt meine Gegenwart zu gestalten? Im Vertrauen, dass ich nicht alles in der Hand habe und das auch gut so ist. Wie wär's mit der Erwartungshaltung, dass mir der Augenblick geschenkt ist und ich genau diesen jetzt leben darf? Vielleicht gar nicht so schwer.

Reine Präsenz, nennt es Richard Rohr. Also, nicht das Radio, sondern Gegenwärtigsein, die Übung voller Gegenwärtigkeit, Achtsamkeit und vollster Wachheit - nennt er reine Präsenz. Er spricht von den drei Räumen, dem Kopfraum, meinen mentalen Bewegungen, dem Herzraum, den es offen und weit zu halten und dem Körper als Raum, den es lebendig zu halten gilt. Er spricht vom Sakrament des gegenwärtigen Augenblicks: Ein ganzheitliches Erkennen „ein Moment tiefer innerer Verbundenheit mit dem reinen, geschenkten Sein von allem und jedem“.

 

 

 Einüben, immer wieder im Alltag,
das Radio einzuschalten.
Sich erinnern lassen:

„Glück ist Jetzt“
„Leben ist Jetzt“
Ich bin jetzt und ich werde jetzt.
Einatmen und Ausatmen.
Dein Bewusstsein finden. Und bewusst werden.
Und vielleicht beschenkt werden,
mit einem heiligen Gegenwärtigsein,
dem Sakrament des gegenwärtigen Augenblicks.

 
Einen Schritt gehen,
in meiner Entscheidung,
einen achtsamen, bewussten Lebensstil einzuüben.

Und mir zugestehen,
dass ich übe.

 

 

Mit diesen Zeilen sei herzlich begrüßt in unserer neuen Reihe zum Thema:
Slow life. Slow living.

Hier zwei Definitionen,

“People every day are constantly living at a fast pace which is making them feel like their lives are chaotic – but with slow living they end up taking a step back and start enjoying life being conscious of sensory profusion.”
“Slow living is a lifestyle emphasizing 
slower approaches to aspects of everyday life.” — Wikipedia Slow Living³

 

In den nächsten Wochen schreiben wir- in aller Ruhe - Buchstabe für Buchstabe mehr zum Thema S L O W L I V I N G.

 

 

 

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Kommentare: 2
  • #1

    Kaddel (Dienstag, 25 Februar 2020 17:58)

    Wow, was für ein toller Text! So treffend und schön geschrieben, dass ich ihn gleich zwei mal gelesen habe. Bin sehr gespannt auf mehr!

  • #2

    Schaffi (Mittwoch, 13 Mai 2020 08:48)

    Die coronakrise steckt mir den äusseren Rahmen zu diesem Slow down
    Ich möchte die Zeit nutzen und üben......