Neulich bin ich auf diese ziemlich provokante Darstellung von Weihnachten gestoßen. Und da habe ich mich gefragt: Jedes Jahr aufs Neue feiern viele von uns Weihnachten. Warum eigentlich? Was ist das Geheimnis hinter Weihnachten?
Hast du dich schon mal gefragt, warum Gott sich am 25. Dezember dazu entschließt Mensch zu werden? Warum bleibt er nicht diese unsichtbare Stimme, die Mose und Abraham begegnet ist? Warum bleibt er nicht die Kraft, die einen Dornbusch zum Brennen bringt? Warum um alles in der Welt will Gott Mensch werden? Weiß er denn gar nicht, worauf er sich einlässt? Ist es nicht viel sicherer für ihn der Unantastbare, der Unsichtbare zu bleiben?
Ich will mir mal wieder die Zeit nehmen über das Weihnachtsgeheimnis nachzudenken…
Gott wird an Weihnachten Mensch.
Er kommt als Baby. Gibt es etwas bedürftigeres,
etwas verletzlicheres als ein Baby?
Gott kommt als Säugling, er lässt sich auf die totale Angewiesenheit ein.
Er lässt sich stillen, trösten, wiegen.
Aber nicht in einem gemütlichen Stall, wie es häufig so romantisch dargestellt wird. Nein, er wird mitten hinein in die Kälte, in die feuchte Nässe einer Bretterbude geboren.
Gott lernt laufen und wird schon nach kurzer Zeit Flüchtling.
Gott auf der Flucht. Er lebt als Fremder in Ägypten. Er wird zum Ausländer. Dieser Gott ist nicht willkommen, war es von Anfang an nicht. Vielleicht hat er manchmal zu Josef gesagt: „Papa, warum darf ich nie mitspielen? Warum sind die anderen Kinder immer so gemein zu mir?“
Gott wird noch im Kindesalter zum Unverstandenen. Seine Eltern können sein Wesen nicht begreifen, es fällt ihnen schwer auf ihn einzugehen. Gott haut ab und wird wieder gefunden.
Gott wird Mensch und damit wird er auch Freund. Scheinbar hat er ein Faible für die harten Kerle, die in der Fischproduktion arbeiten. Sie chillen, sie halten sich den Bauch vor Lachen, sie kochen zusammen. Gott wäscht ihnen die Füße.
Gott geht auf Hochzeiten, er feiert. Er trinkt ein Gläschen Wein, ob er tanzen konnte, wissen wir nicht, aber ich hoffe es doch sehr.
Gott lässt sich einladen. Er isst mit Steuerhinterziehern.
Und dann wird Gott von seinen Freunden allein gelassen. Gott weint. Er fühlt sich so einsam. Gott, der Verlassene. Er wird von seinen eigenen Leuten nicht verstanden. Verraten.
Bespuckt. Verhöhnt. Gedemütigt aufs Tiefste.
Gott stirbt an einem Folterinstrument.
Klar kommt dann auch die Auferstehung, aber das eigentlich berührende ist doch, dass Gott keinen Aspekt unserer Menschlichkeit auslässt.
Er gibt sich komplett hinein in alle Facetten unseres Menschseins:
Er lacht Tränen, er friert, er feiert, er hat unglaubliche Angst.
Warum um alles in der Welt tut er das? Wenn es sich im Himmel an vielen Tagen doch bestimmt so viel angenehmer leben lässt.
Aber hast du dich schon mal von jemand trösten lassen, der noch nie selbst Trost brauchte? Hat dir schon mal jemanden einen Rat gegeben, der selbst noch nie Rat brauchte? Wollte dir schon mal jemand zur Seite stehen, der nicht mal ansatzweise nachvollziehen konnte, wie es dir geht?
Es wirkt dann irgendwie gekünstelt, oberflächlich.
Gut gemeint, aber mehr auch nicht.
Vielleicht wird Gott jedes Jahr neu an Weihnachten Mensch, um uns zeigen, dass er uns zutiefst verstehen kann.
Vielleicht wird Gott Mensch, damit wir seine tröstenden Worte, seine Küsse des Himmels, seine Barmherzigkeit, seinen Rat auch wirklich annehmen können.
Denn er tut dies eben nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe. Oder vielleicht sogar noch tiefer. Vielleicht berühren seine Knie den Staub, wenn er uns zuspricht: „Fürchte dich nicht! Ich bin mit dir alle Tage“.
Vielleicht sind an seinen Händen noch Narben zu sehen, wenn er unsere Hand nimmt.
Vielleicht wird Gott Mensch, um uns zutiefst an den Tagen verstehen zu können, an denen wir vor Freude Luftsprünge machen. An Tagen, an denen wir uns einfach nur einsam fühlen. An Tagen, an denen wir das Leben feiern. An Tagen, an denen einem das Wasser bis zum Halse steht. Und allen weiteren Tagen auch.
Vielleicht wird Gott Mensch, damit er den Weg mit uns gehen kann hinein in die unsichtbare Hoffnung.Vielleicht werden wir als Getröstete, Ermutigte dann selbst zu Tröstenden, zu Ermutiger*innen. Vielleicht trauen wir uns dann wieder an die kalten, ungemütlichen Plätze dieser Erde. Vielleicht entsteht so neu Gemeinschaft.
Gott wird an Weihnachten greifbar, nahbar, berührbar, verletzbar.
Und doch wird er auch immer Geheimnis bleiben.
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